Nachdem nach anfänglichem Hick-Hack bei der Bundespräsidentschaftswahl 2016 irgendwann doch noch Alexander van der Bellen als Staatsoberhaupt ernannt werden konnte, stehen Österreichs Parteien in den Startlöchern für den nächsten Wahlkampf. Unsere Social-Media-Prognosen im Rennen um die Hofburg und zum Ausgang des US-Wahlkampfs haben einmal mehr bestätigt, dass der Social-Media-Tenor im Vorfeld die Wahlergebnisse oft genauer als die herkömmlichen Methoden der Meinungsforschung voraussagen. Knapp zwei Monate vor der Nationalratswahl werfen wir erneut einen Blick auf die Social-Media-Performance der Parteien und ihrer Spitzenkandidat*innen. Wer schneidet auf Facebook am besten ab?
Bis zum offiziellen Wahlkampfauftakt der einzelnen Parteien dauert es zwar noch, allerdings zielen ihre Social-Media-Inhalte, sowie die Beiträge vieler Kandidaten bereits seit Wochen deutlich in eine Richtung. Dazu haben wir zwölf Facebookpages, jeweils die der aktuellen Parteien im Nationalrat und ihrer Spitzenkandidat*innen, sowie den Auftritt von Neueinsteiger Peter Pilz und seiner Liste analysiert. (Analysetool: Fanpagekarma, Analysezeitraum: 16.06.2017 – 15.08.2017)
Alles auf die Nummer 1 – Wie die Spitzenkandidaten auf Facebook Stimmung machen
Was zu Beginn der Analyse auffällt, ist, dass sich der „Pre-Wahlkampf“ via Facebook hauptsächlich auf den Seiten der Spitzenkandidaten abspielt. Es wirkt, als hätte bei den Parteien lediglich die SPÖ in letzter Zeit Augenmerk auf zusätzliche Social-Media-Inhalte mit spezifischen Wahlkampfbotschaften gelegt. Im Fokus dabei steht Bundeskanzler Christian Kern, der Selbstironie beim Vorlesen „böser Tweets“ demonstriert oder sich via Facebook-Live an die Bevölkerung wendet.
Daneben setzt Heinz-Christan Strache wie üblich auf populistische Inhalte, vor allem in dem er häufig mit Linkpostings auf Artikel verschiedener Quellen verweist und/oder knappe, zugespitzte Status-Meldungen teilt. Einem ähnlichen Muster folgen die Top-Posts auf Sebastian Kurz’ Facebookseite in unserem Untersuchungszeitraum. Zwar variiert dieser mehr beim Teilen von Videos, Links und Bildern, dennoch schnitten Links oder Videos mit Statements zur Flüchtlingspolitik und Islamstudie in den letzten beiden Monaten am besten ab.
Mit rund 650.000 Page-Likes kann nach wie vor Heinz-Christian Strache die meisten Fans verbuchen, allerdings ist ihm Sebastian Kurz dicht auf den Fersen – vor allem, weil seine Fanbase seit Mitte Juni besonders stark wächst. Kaum wahrnehmbar im großen Gesamten ist aktuell das, was sich bei den anderen Nationalratsparteien tut – den Grünen mit Ulrike Lunacek oder den Neos mit Matthias Strolz. Auch Ex-Grüner und Neustarter Peter Pilz konnte mit seiner Liste für NRW17 bis dato noch nicht für besonders viel Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken sorgen.
Die Krux mit den deutschen Fans
Zwar kann Christian Kern momentan nur von den Fanzahlen eines HC Strache oder Sebastian Kurz träumen, allerdings dürfte der Großteil seiner Facebookanhänger auch dann relevant sein, wenn es um die tatsächliche Wahlentscheidung geht: Von rund 206.000 Fans kommen um die 183.000 aus Österreich. Dieser zweite Blick beweist einmal mehr, dass man sich zwar mit hohen Fanzahlen rühmen kann, es hier aber einiges zu hinterfragen gibt. Besonders auffällig ist, dass nur rund 384.000 Fans der Strache-Facebookseite aus Österreich kommen und etwa 226.000 deutscher Herkunft sind. Ähnlich ist das Bild bei Sebastian Kurz, bei dem um die 155.000 Page-Likes aus Deutschland stammen. Gründe dafür könnten unter anderem die populistischen Inhalte sein, die auch bei einer entsprechenden Zielgruppe außerhalb der Landesgrenzen gut ankommen oder der Einsatz von Page-Like-Ads sein, die nicht allein auf österreichische Facebooknutzer*innen getargeted wurden.
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Von Fleiß und Preis und treuen Fans
Der so genannten „Engagement-Wert“ ist wohl das, was wir vor dem Social-Media-Zeitalter als „Fantreue“ bezeichnet hätten. Dieser berechnet sich aus der durchschnittlichen Anzahl an Likes, Kommentaren und Shares pro Tag, geteilt durch die Anzahl der Fans der jeweiligen Seite. Anders als bei den anderen Kennzahlen führen hier zwei Parteien, die SPÖ mit 3,3% und die Liste Pilz mit 3,2% das Feld an. Dahinter liegen Christian Kern und HC Strache. Zum größten Teil spiegelt sich das auch im Wert der Posting-Anzahl wider. SPÖ, Strache und Kern waren mit 206 bis 364 Beiträgen im Untersuchungszeitraum am fleißigsten. Matthias Strolz konnte zwar bei der Anzahl der Postings mithalten, musste dafür aber einen geringeren Engagement-Wert verbuchen. Umgekehrt ist das bei der Liste Pilz, die am wenigsten Beiträge abgeliefert hat, aber trotzdem damit Fans mobilisieren konnte.
![NRW 2017 Facebook Engagement](http://blog.spinnwerk.at/wp-content/uploads/2017/08/Bildschirmfoto-2017-08-18-um-19.38.46-300x194.png)
![Anzahl der postings NRW 2017 Facebook](http://blog.spinnwerk.at/wp-content/uploads/2017/08/anzahl-der-postings-300x195.png)
Der Kampf um Shares und Emotionen
Zu wenig Einblick haben wir darin, wie dieser oft zitierte Facebook-Algorithmus genau funktioniert. Wovon aber auszugehen ist, dass Inhalte, die starke Emotionen hervorrufen, in Sachen Reichweite begünstigt werden – abgesehen davon, dass es bei emotionalen Inhalten in der Regel meist zu vielen Interaktionen kommt. Nicht zuletzt durch die Einführung der Facebook-Reactions wird dieses Bild noch um einiges klarer. Über 145.000 mal wurden Postings bei HC-Strache mit dem wütenden Emoji versehen, wobei ihm bei diesem Wert niemand auch nur ansatzweise das Wasser reichen kann. Like-König ist Sebastian Kurz mit rund 567.000 „Gefällt mir“-Angaben auf Beiträge im Untersuchungszeitraum. Bei fast allen anderen Reaktionen liegt er auf Platz zwei hinter Strache. Nur bei den eher positiv behafteten Emotionen wie „Lachen“ und „Lieben“ macht ihm hier Christian Kern auf dem zweiten Rang Konkurrenz. Ungeschlagen bleibt FPÖ-Chef Strache vorerst auch bei der Anzahl der Shares und Kommentare.
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Not so social– Euer Feedback ist nicht überall willkommen
Am besten in Sachen Antwortzeit (durchschnittlich 14 Stunden) schneidet die Facebookseite von Sebastian Kurz ab, allerdings werden sämtliche Userpostings auf der Pinnwand vor ihrer Veröffentlichung kontrolliert. Deutlich offener für User-Feedback zeigt man sich hier auf den Facebookseiten von Ulrike Lunacek und Peter Pilz– die einzigen Kandidat*innen, die das offene Posten an die Pinnwand ermöglichen. Nur auf den Facebook-Parteiseiten der Neos, der Grünen und der Liste Pilz ist das Veröffentlichen von Postings an der Pinnwand für die User ohne Einschränkung möglich. Auf der ÖVP-Seite werden Wallposts vorab reviewt. SPÖ und FPÖ unterbinden Userpostings auf der Pinnwand komplett.
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Fazit: Wer führt aktuell im Social-Media-Wahlkampf zur Nationalratswahl 2017?
Als Währung für unsere Prognose gilt das Gesamtvolumen an Facebook-Interaktionen, also die Summe aus Reaktionen, Kommentaren und Shares, die im ausgewählten Zeitraum von den Parteien oder ihren Spitzenkandidaten erzielt werden konnten. Aktuell sorgte die FPÖ mit HC Strache in den vergangen zwei Monaten für rund 43 % der gesamten Interaktionen und setzt sich hier mit einem deutlichen Vorsprung gegen Sebastian Kurz’ Liste, die über die bestehende ÖVP-Facebookseite agiert, durch. Die „Neue Volkspartei“ kann rund 30% aller Facebook-Interaktionen verbuchen. Auf Platz drei liegen die Sozialdemokraten mit Christian Kern, die rund 21% der gesamten Facebook-Interaktionen im Untersuchungszeitraum bestimmten. Weit abgeschlagen teilen sich die Grünen, die Neos und die Liste Pilz den Rest vom Kuchen.
Unter der Annahme, dass sich das Interaktionsvolumen im gleichen Ausmaß auf die Länder aufteilt wie die Fanbase, ergeben sich folgende bereinigte Werte:
Eine deutliche Veränderung können wir hier bei den Interaktionen feststellen, die auf das Konto von FPÖ und HC Strache gehen. Positiv hat sich die Bereinigung vor allem für die SPÖ und Christian Kern ausgewirkt, die nun ein gutes Viertel der Interaktionen für sich verbuchen können. Auffällig und für die Grünen alarmierend ist auch, dass die NEOS noch klarer vor den Grünen liegen. So gut wie keinen Einfluss hat die Bereinigung auf das Ergebnis der neuen Volkspartei.
Wie auch schon vor dem ersten Wahlgang zur #BPWahl sieht unsere Social-Media-Analyse die FPÖ deutlich stärker als die Meinungsforscher. Wir haben bei Charlotte Hager vom Motivforschungsinstitut comrecon nachgefragt, wie es zu solchen Abweichungen kommen kann:
„Der Kampf um den Wahlgewinn ist einer um die Emotionen der Menschen in diesem Land. Daher ist Facebook ein gutes Barometer und dazu noch situations- und tagesaktuell, was die meisten Meinungsumfragen nicht sind. Zudem fragen wir nicht rational, was sie von den Kandidaten oder Parteien halten, sondern wir erleben sie in ihren echten (unbewussten) Reaktionen auf Einstellungen und Meinungen. Wenn man das Verhalten beobachtet, kommt zu den wahren Ergebnissen und nicht zu gefärbten. Der Kontext verändert die Einstellung. So kann es sein, dass eine Aussage bereits Vieles verändert und unvorhergesehene Wahlergebnisse hervorbringt.“
Mehr dazu und eine Inhaltliche Analyse der Facebook-Postings von Christian Kern, Sebastian Kurz und HC Strache gibt es im aktuellen Blogbeitrag von comrecon.
Wir bleiben in den nächsten Wochen dran und verfolgen gespannt, wie Parteien und Spitzenkandidat*innen auf Facebook und Co. agieren werden.