Der Countdown läuft. Heute in einem Monat geht es darum, welche Parteien künftig in den österreichischen Nationalrat einziehen werden. In unserem wöchentlichen Update zum Social-Media-Wahlkampf, sehen wir uns an, wer die meisten Interaktionen für sich verbuchen kann. Dieses Mal geht es nicht nur um die meisten Likes, Shares, Kommentare und Fans. Heute sehen wir uns unter anderem an, wer die Fans sind, die bei den Parteien und Kandidaten via Facebook für Bewegung sorgen.
Was bisher geschah: In den Analysen der letzten Wochen haben wir die Nationalratsparteien, die wieder zur Wahl antreten, sowie später alle aktuell kandidierenden Parteien unter die Lupe genommen. (Analysetool: Fanpagekarma) Zusammengefasst haben wir folgendes herausgefunden:
- Gerade in der Anfangsphase fand der Wahlkampf via Facebook hauptsächlich auf den Seiten der Spitzenkandidat*innen statt. Erst nach und nach scheint sich nun auch auf den Facebookseiten der Parteien etwas zu tun.
- Sebstian Kurz und Heinz-Christian Strache matchen sich darum, wer mehr Facebook-Fans zählen kann. Auffällig dabei ist, dass bei beiden sehr viele Fans aus Deutschland für Interaktionen sorgen. Aus diesem Grund haben wir unser abschließendes Fazit– das heiß, wer wie viel vom Gesamtvolumen der Interaktionen für sich verbuchen kann– auf wahrscheinliche Interaktionen aus Österreich eingeschränkt.
- Auf der Facebook-Seite von Christian Kern regnet es häufig Love-Reaktionen, während mit den Inhalten von Heinz-Christian hauptsächlich Wut-Reaktionen ausgelöst werden.
- Bei den Neos, den Grünen und den kandidierenden Kleinparteien scheint der Wahlkampf via Facebook etwas schwerer in die Gänge zu kommen. Hier matcht man sich unter der 4-Prozent-Hürde um den Anteil am Gesamtvolumen der Interaktionen.
Doch was machen sie, woher kommen sie, was tun sie? Die Österreicher*innen, die sich auf Facebook für die Inhalte der Spitzenkandidat*innen und die Parteien interessieren? Das sehen wir uns heute an.
Ein Blick aufs Facebook-Publikum
Etwa 4 Millionen Österreicher*innen sind aktiv auf Facebook. Indem sie sich auf der Plattform bewegen, geben sie viele Informationen über sich bewusst oder unbewusst preis. Mit Hilfe der Audience Insights von Facebook können wir einiges über diese Nutzer*innen herausfinden. Ab einer gewissen Größe werden die Dunstkreise verschiedener Facebookseiten als potenzielle Interessengruppe erfasst. Diese dienen für das zielgruppengerechte Ausspielen von Facebookwerbung. Wir haben uns die Daten angesehen, die das Tool zu den einzelnen Spitzenkandidat*innen und/oder ihren Parteien ausspielt (Stand 15.09.2017) Diese ergeben sich aus den eigenen Angaben, die Nutzer*innen auf ihrem Facebookprofil machen.
Heinz-Christian Strache & die FPÖ
Der Anteil der Singles in der Interessengruppe von HC Strache und der FPÖ ist mit 30% und 31% ein wenig höher als bei den Türkisen (ehemals Schwarzen) und den Roten. Auch zeichnet sich hier ein deutliches Bild bei der Verteilung der Berufsgruppen ab. Die 350.000 bis 400.000 monatlich aktiven User*innen, die sich für den FPÖ-Obmann und seine Partei interessieren, kommen hauptsächlich aus administrativen Berufsfeldern (19%) und der Produktion (17%). Mit 59% Akademiker*innen in der HC-Strache-Interessensgruppe ist hier der Anteil niedriger als bei SPÖ und ÖVP. Ähnlich wie bei der ÖVP und Kurz finden sich weit vorne bei den Interessen außerhalb der Politik die Inhalte der österreichischen Polizei und der Unwetterzentrale.
Sebastian Kurz & die (neue) ÖVP
Es ist davon auszugehen, dass Sebastian Kurz ob seines großen Fanwachstums in den letzten Monaten den Einzug in die Audience Insights geschafft hat. Auch die ÖVP schlägt unter dem Terminus „Österreichische Volkspartei“ als Interessensgruppe dort auf. Etwa ein Viertel der österreichischen Facebook-Nutzer*innen, die sich für Sebastian Kurz interessieren (21%) arbeiten im Management, 42% von ihnen sind verheiratet. Mit 64% ist der Anteil der Akademiker*innen, die sich für Sebastian Kurz interessieren sehr hoch. Mehr als die Hälfte (57%) ist männlich. Ein nahezu identes Bild zeigt sich, wenn man die ÖVP-Interessensgruppe auswählt.
Christian Kern & die SPÖ
Nach dem Interesse „Christian Kern“ lässt sich bei der Zielgruppenbestimmung via Facebook nicht suchen, dennoch gibt es zumindest eine Gruppe von 250.000 bis 300.000 österreichischen Nutzer*innen, die sich für die „Sozialdemokratische Partei Österreich“ interessieren. Was gleich zu Beginn hervorsticht ist, dass die SPÖ in diesem Kanal wohl nicht als klassische Arbeiterpartei zu bezeichnen ist. 67% der Österreicher*innen, die sich für die SPÖ interessieren, geben an, dass sie einen Uni-Abschluss besitzen. Auch hier finden sich 22%, die im Management tätig sind, dicht gefolgt von einer Gruppe, die angibt, im Kunst-, Unterhaltungs-, Sport- oder Medienbereich zu arbeiten. Erst an dritter Stelle stehen Interessent*innen aus den Berufsfeldern Produktion, sowie Gesundheits- und Sanitätswesen. Abseits von Politik interessiert sich die Zielgruppe etwa auch für Kabarettisten wie Michael Niavarani und Thomas Stipsits.
Festzuhalten ist, dass nicht überprüfbar ist, ob die Nutzer*innen ihre freiwilligen Angaben auf Facebook wahrheitsgemäß eintragen. Sowohl die Parteien als auch die Spitzenkandidat*innen der weiteren Parteien, die zur Nationalratswahl 2017 antreten, sind via Audience Insights nicht erfasst und können in dieser Analyse somit nicht berücksichtigt werden.
Welche Rolle spielen die TV- Sommergespräche?
Zuletzt erschien ein kritischer Kommentar in der Tageszeitung Kurier, der die hohe Zahl der TV-Termine im Nationalratswahlkampf anprangerte. Der ORF, sowie die Privatsender versuchen sich im Experiment darin, wie viel dem Publikum zuzumuten sei – steht dort geschrieben. Abgesehen von der Mündigkeit der Zuseher*innen, sich ihr TV-Programm selbst auszuwählen, spricht die Quote zumindest bei den ORF-Sommergesprächen mit den Parlamentsparteien eine andere Sprache. Der diesjährige Auftritt von Sebastian Kurz ist sogar das meistgesehene Sommergespräch aller Zeiten. Doch wie wirkten sich die ORF-Sommergespräche auf die Facebook-Interaktionen aus?
Matthias Strolz von den Neos startete am 07.08. mit dem ORF-Sommergespräch bei Tarek Leitner. Tatsächlich lässt sich am Tag des Gesprächs und am Tag danach, ein deutlich höherer Anteil am Gesamtvolumen der Facebook-Interaktionen erkennen, als wir es bis dato in unserem wöchentlichen Analyse-Intervall beobachten konnten. Während sich die Neos und Strolz im Normalfall bei einem Anteil von etwa 2% am Gesamtvolumen der wahrscheinlichen Interaktionen aus Österreich eingependelt haben, sind es am 07. und 08.08 ganze 5,78%.
Im Gegensatz zu den Neos war das Sommergespräch der Grünen kein besonderer Ausreißer in der Analyse. Nicht die Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, sondern Grünen-Obfrau Ingrid Felipe war am 14.08 bei Leitner zu Gast. Die 3,53% Anteil am Gesamtinteraktionsvolumen aus Österreich sind grundsätzlich bei den höheren Werten seit Beginn unserer Analyse einzuordnen und auch den Peak der Grünen finden wir in derselben Woche mit einem Ergebnis von 4,82%, die seither allerdings nicht mehr erreicht werden konnten.
Unauffällig ist der Wert, der im Zeitraum des Sommergesprächs von Heinz-Christian Strache zu beobachten ist. Generell beträgt der Interaktionsanteil, den die Freiheitlichen in den letzten Wochen erzielen konnten, zwischen 30% und 45%. Um das Sommergespräch am 22.08. gingen 33,15% aller Reaktionen, Shares und Kommentare auf das Konto von HC Strache und der FPÖ.
Einer Berg- und Talfahrt gleicht das, was wir in den letzten Wochen bei Sebastian Kurz und seiner neuen ÖVP beobachten können. Zwischen 31% Anteil zu Beginn unserer Analysen und rund 17% in der vorletzten Woche pendelte der Anteil der Interaktionen für die Neu-Türkisen. So lag der Anteil in der Analysewoche vom 28.08, als Kurz beim Sommergespräch zu Gast war, auch nur bei 18,32%. In diesem Kontext lassen sich die 28,64% zwischen 28.08 und 29.08. zwar als Anstieg zum Sommergespräch interpretieren, sind aber noch nicht das beste Ergebnis, das bei Kurz und der ÖVP seither erzielt wurde.
Als letzter ging Bundeskanzler Christian Kern am 04.09. ins Gespräch. Augenmerk bei den Interaktionen um das Sommergespräch liegt hier also auf den Zeitraum 03. bis 04.09, wo Kern und die SPÖ 33,48% der Interaktionen aus Österreich für sich verbuchen konnten. Diesen Wert könnte man etwa als Startpunkt für das Interaktionswachstum, das sich bei den Sozialdemokraten in den letzten zwei Wochen beobachten lässt, definieren. Waren es zuvor meist zwischen 23% und 26% Anteil am Gesamtinteraktionsvolumen, hat der Social-Media-Wahlkampf der Roten wohl offensichtlich nach dem Gespräch erst so richtig begonnen und letzte Woche einen vorläufigen Höchstwert von 37,06% erreicht.
Was bleibt also von den Sommergesprächen außer dem grandios gestalteten Mash-up, das dieser Tage auf Facebook aufgetaucht ist? Das zeigt unsere Zwischenstand der Social-Media-Prognose für diese Woche.
Zwischenstand: Wer liegt vorne Social-Media-Wahlkampf?
Auch dieses Mal haben wir die Ergebnisse so bereinigt, dass sich unser vorläufiges Fazit auf den Anteil der wahrscheinlichen Fans aus Österreich einschränkt. In unserem aktuellen Analysezeitraum (07.09. bis 13.09) zeigt sich, dass die FPÖ ihren großen Vorsprung aus der letzten Woche nicht halten konnte. Zwar sind es immerhin noch 34,79 % des Gesamtvolumens (das sind 100.924 Reaktionen, Shares und Kommentare), doch Christian Kern und die SPÖ haben eine bemerkenswerte Aufholjagd hingelegt und die ÖVP und Sebastian Kurz noch weiter hinter sich gelassen. Währen auf das Konto des Kanzlers und seiner Partei dieses Mal 31,46% ( 91.242) der Interaktionen gehen, sind es bei der ÖVP und Kurz nur noch 21,21% (61.530) – einmal mehr ein deutliches Anzeichen dafür, dass eine hohe Fanzahl nicht unbedingt für viele Interaktionen sorgt. Die Grünen sind mit 10.206 Interaktionen (3,52%) noch leicht vor den Neos, die auf 9.043 Interaktionen (3,12%) schaffen. In unserem Video gibt es diese Woche ebenso einen Blick auf das Thema Emotionen. Hier konnte HC Strache gemeinsam mit der FPÖ 72,08% aller Wutreaktionen (bereinigt um internationale Reaktionen) sammeln. Eine 2/3-Herzchen-Mehrheit gibt es diese Woche für die SPÖ und Christian Kern, auf deren Konto 64,6% der Love-Reaktionen gehen.
Wir bleiben natürlich auch in den nächsten Wochen bis zur Wahl weiterhin dran und analysieren, wie es im Social-Media-Wahlkampf weitergeht. Zu finden sind unsere Updates natürlich wieder hier im SPiNNBlog – darüber hinaus stehen wir dem ORF in regelmäßigen Abständen mit unserer Expertise zur Verfügung. Dazu halten wir euch natürlich auf der SPiNNWERK-Facebookseite auf dem Laufenden.