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Digital Detox: Entschlackung von Bits und Bytes

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Die Digitalisierung macht das Arbeitsleben unbestritten leichter – kann aber gleichzeitig auch schnell zu einem Gefühl von Überlastung führen. Nicht nur in Jobs im Online und Social Media-Bereich ist man oft rund um die Uhr erreichbar und in sozialen Medien unterwegs: Mobile Technologien dringen quer durch die Gesellschaft in alle Bereiche des Lebens vor und sorgen dafür, dass die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeitsleben zunehmend verschwimmen.
Mit dieser permanenten Verfügbarkeit sind wir also – abgesehen vom Beruf – ganz und gar nicht allein. Das eigentliche „Problem“ liegt dabei meist jedoch nicht an der Technologie selbst, sondern an unserem persönlichen Umgang mit ihr.
Stellt euch beispielsweise einmal vor, ihr habt eine Woche lang weder Handy, Tablet noch PC zur Verfügung: Welches Gefühl löst das in euch aus? Angst? Stress? Oder überwiegt sogar Erleichterung?

Wir sind alle Newsjunkies.
Sich eine digitale Auszeit nehmen – klingt einfach, ist es aber nicht unbedingt: Für immer mehr Menschen geht ohne Smartphone gar nichts mehr. Ohne Unterbrechung erreichen uns Meldungen und Nachrichten. Und doch haben wir irgendwie pausenlos den Eindruck, von Neuigkeiten überflutet zu werden und dennoch das Wesentliche zu verpassen.
Dieser Zustand kommt vielen wahrscheinlich bekannt vor und dennoch ist kaum jemand in der Lage, aus eigener Kraft das Smartphone auszuschalten und sich vom Druck, der mit ihm einhergeht, freizumachen.
Im Gegenteil: Das Smartphone als ständigen Begleiter zuhause zu vergessen, oder es vielleicht – man möchte gar nicht daran denken – sogar zu verlieren, stellt heutzutage eine echte Angst für viele dar. Die zugrundeliegende Befürchtung ist dabei einfach, schlagartig für seine sozialen Kontakte unerreichbar zu sein, und hat wegen ihrer Relevanz mittlerweile sogar einen Namen: Nomophobie.
Wenn man gleichzeitig auch noch beobachten kann, dass die Mitmenschen – und man selbst auch? – zum Großteil nur noch in gebückter Haltung und auf einen Smartphone-Screen starrend die Straße runterlaufen, ist das irgendwie Anlass zur Sorge.

Die Insel der Offliner.
Sich eine digitale Auszeit gönnen ist genau deshalb zum Trend geworden, und die Berichte von digitalen Aussteigern häufen sich. Unter dem Begriff „Digital Detox“ wird diese Bewegung zusammengefasst, die für einen bewussteren Umgang mit dem Smartphone und anderen mit dem Internet verbundenen Geräten steht. Rund um den Globus hat sich mittlerweile eine florierende Industrie entwickelt, die sich genau dieser digitalen Entgiftung widmet. In sogenannten Digital Detox Camps sollen Methoden zum reflektierten Medienkonsum erarbeitet werden. Teilnehmer sollen einen sinnvollen und gesunden Umgang mit Smartphones und Computern lernen – und auf diesem Weg Stress reduzieren und Kreativität und Produktivität wiedergewinnen, mit Hilfe von Yoga und Meditation, Malen und Zeichnen, oder Schreiben und Bewegung.
Wem das zu banal wirkt, der kann sich sein Handy natürlich auch zum Premium-Preis wegnehmen lassen: In Paris kann man seine „Digital Detox“ Kur etwa im The Westin Paris verbringen – und pro Nacht über 400€ hinblättern. Geräte im Safe versperrt inklusive.

Von FOMO zu JOMO.
Sie gilt als die erste Social Media Krankheit: die FOMO („fear of missing out“, zu Deutsch: die Angst, etwas zu verpassen). Klar, die Angst etwas zu verpassen gab es früher auch schon. Aber da wussten wir ja noch gar nicht, WAS wir alles verpassen: Festivalfotos hier, Pool-Bilder da, und dann auch noch das perfekte Dinner mit perfekter Begleitung und blütemweißen Tischtuch. Leicht überkommt einen das Gefühl, dass Glück, Erfolg, perfekte Familien und Reisen nur den anderen vorbehalten bleiben. Die „FOMO“ hat es mittlerweile sogar ins Oxford Wörterbuch geschafft.

Aber keine Bewegung kommt allzu lange ohne Gegenbewegung aus: Als eine Reaktion auf FOMO entstand das geradezu rebellisch anmutende JOMO („joy of missing out“).
Statt Partyoutfit und Selfies von der craziesten Nacht ever werden Bilder mit Füßen vor dem Fernseher präsentiert. Endlich hat man auch selbst wieder das Gefühl, dass es in Ordnung ist, seine Zeit einfach daheim zu verbringen. Das Prinzip JOMO geht sogar so weit, durch bewusstes Fernbleiben eine gewisse Befriedigung zu erfahren. Man besinnt sich auf sich selbst und seine analogen Freunde und lässt das Smartphone ruhen.
So ist JOMO auf dem besten Weg, eine neue Lebenseinstellung zu werden – und lässt dabei eigentlich einen Hilfeschrei in Zeiten der digitalen Überforderung vermuten.

Socially awkward sein ist kein Makel mehr.
Schlußendlich sind Nomophobie, FOMO, JOMO und was sonst vielleicht noch kommen mag nichts anderes als eine Folgeerscheinung unserer hektischen Welt. Da können wir nur eins tun: Ab und zu aussteigen und erst zu einem selbstgewählten Zeitpunkt wieder einsteigen.
Es reicht bereits, wenn wir uns einfach ein wenig bewusster in unserer Freizeit und in den sozialen Netzwerken verhalten: Mal wieder den ganzen Abend auf einer Party bleiben und die Erlebnisse genießen, ohne ständig am Smartphone zu checken, was die Anderen so machen – oder das hundertste Mädels-Cocktail-Selfie zu posten, nur um der Welt da draußen zu zeigen „Schaut mal her wie viel Spaß ich gerade habe!“
Mal ein bisschen Digital Detox betreiben und uns für einen Tag im Handyverzicht üben. Und wir werden merken – wir verpassen überhaupt nichts. Wir erleben sogar mehr als zuvor.

Im Grunde genommen lautet die Devise also nicht, sich wie ein Eremit von der Außenwelt abzuschotten, sondern von Zeit zu Zeit einfach bewusst abzuschalten und die News News sein zu lassen. Also einen Weg zurück zu sich selbst zu finden: Zu mehr Gelassenheit. Mehr Ruhe. Und mehr Offline-Momenten, die wir auch ganz ohne die bestätigenden Likes der Community genießen können.


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